Diamantweg: leben und meditieren

Bild: Sophie Adler, Leandra Valdivizo, Antonia Hirzel

Das Buddhistische Diamantweg-Zentrum Bern heisst alle herzlich willkommen und bietet ein offenes und zugängliches Programm für Interessierte. Täglich finden offene Meditationen statt. Ergänzt wird das Angebot durch regelmässige Vorträge, die Gelegenheit bieten, mehr über buddhistische Praktiken und Lebensweisen zu lernen. 

von Sophie Adler, Leandra Valdivizo, Antonia Hirzel

Die Geschichte des Diamantweg-Zentrums Bern

Das Diamantweg-Zentrum in Bern hat seine religiösen Wurzeln im Vajrayana-Buddhismus, neben Theravada und Mahayana eine der drei buddhistischen Hauptrichtungen. Der Vajrayana-Buddhismus, zu dem auch der Diamantweg gehört, wird vor allem in Tibet praktiziert und gelehrt. Mit dem Begriff «Diamantweg» sind oftmals nur die Zentren gemeint sind, die von Ole Nydahl gegründet wurden. Ole Nydahl, ein gebürtiger Däne, reiste mit seiner Freundin Hannah in den 60er Jahren nach Asien, mitunter auch nach Tibet. Dort lernten sie den 16. Karmapa kennen, das damalige Oberhaupt einer der grossen Schulen innerhalb des Vajrayana-Buddhismus in Tibet. Ole und Hannah waren tief beeindruckt vom Karmapa und seiner Geschichte. So kam es dazu, dass sie 1969 seine Schüler* innen wurden und die Lehren des Vajrayana studierten. Auf Anregung ihres Lehrers reisten sie dann zurück nach Europa und gründeten über 50 Jahre lang Zentren in ganz Europa, um die Lehren des Vajrayana zu vermitteln. Insgesamt waren es 600 Zentren, und eines dieser Zentren war das Diamantenweg-Zentrum in Bern. Lama Ole Nydahl wurde und ist eine zentrale Leitfigur für das Zentrum neben dem 16. Karmapa. Heute ist Ole 80 Jahre alt, aber trotzdem noch sehr aktiv in der Religionsgemeinschaft. Er hat diverse Bücher geschrieben, leitet Meditationskurse und hält Vorträge in ganz Europa.

Glauben und Ziele

Im Diamantweg-Buddhismus steht die innere Erleuchtung im Mittelpunkt. Diese zu erreichen, so wie der Buddha diese erreicht hat, ist das oberste Ziel. Man erreicht diese Erleuchtung mit viel Meditation, Gebeten und Ritualen. Je nach buddhistischer Richtung unterscheidet sich das Verständnis von «Erleuchtung» jedoch stark. Für Eric, unseren Interviewpartner, bedeutet Erleuchtung beispielsweise, dass man die Natur des eigenen Geistes durchschaut.

Der Buddhismus hat, wie viele andere Religionen, heilige Schriften. Es gibt jedoch nicht nur eine zentrale Schrift, sondern eine Vielzahl von Texten. Viele dieser Schriften sind in Sanskrit verfasst, darunter der Pali-Kanon, der aus drei Teilen besteht. Im ersten Teil, dem Vinaya-Pitaka stehen alle Ordensregeln, die Mönche und Nonnen befolgen sollten. Der zweite Teil ist das Sūtra-Pitaka, in diesem stehen die Lehren vom Buddha. Aus dem Sūtra bildet sich die Grundlage für das Verständnis der buddhistischen Praxis. Der letzte Teil ist das Abhidharma-Pitaka, im Abhidharma findet man die buddhistische Philosophie und deren Analyse. 

«Es geht schon darum, nach den Lehren des Buddhas zu leben, aber nie in Form eines Glaubens, immer in Form von einem eigenen Verständnis.»

Eric

Nach Aussage von Eric sollte man diese Schriften im Buddhismus jedoch nicht als absolut, als Dogma wahrnehmen, sondern immer hinterfragen, prüfen und darüber nachdenken. Dies mache man in drei Schritten, meint Eric. Erstens: Hören, also einem Lehrer zuhören, zweitens: Nachdenken, das Gehörte interpretieren und in eigene Worte fassen, und drittens: Meditation, das, was der Buddha gesagt hat, macht man hier zur eigenen Erfahrung.

Der Aufbau der Gemeinschaft

Das buddhistische Zentrum befindet sich an der Gerberngasse im Berner Mattequartier. Durch einen schmalen Hauseingang gelangt man in das Innere des Altbaugebäudes. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Räume. Während einer als Gemeinschaftsraum genutzt wird, in dem man Kaffee trinken und sich an einem langen Tisch unterhalten kann, finden im zweiten, der so genannten Gompa, Meditationen statt. Vor dem Eintritt in diesen Raum wird darum gebeten, die Schuhe auszuziehen. Dies nicht aus religiösen Gründen, sondern um Schmutz auf dem grossen Teppich in der Mitte des Raumes zu vermeiden. Von einem Sitzkissen in der Mitte des Raumes aus hat man einen Überblick über Raum: Farbige Poster und grosse Bilder dekorieren die hellen Wände.

Bild: Sophie Adler, Leandra Valdivizo, Antonia Hirzel

Der Tür gegenüber befindet sich ein langes Gestell, auf dem mittig ein goldener Buddha thront. Rechts und links von ihm reihen sich die Figuren der bisher insgesamt 16. Karmapas, welches der Titel des jeweils höchsten Lehrers und ist. Oberhalb der Buddhafigur in der Mitte hängen drei Bilder: Eines stellt den aktuellen 17. Karmapa dar, eines den 16. Karmapa und das anderes zeigt Lama Ole Nydahl.

Das Zentrum ist als Verein organisiert. Dies basiert auf Oles und Hannahs Idee, den Menschen Verantwortung und die Aufgabe zu gegeben, den Buddhismus weiterzugeben. So sind alle Mitglieder dazu in der Lage, Erklärungen an Interessierte abzugeben. Jeweils einmal pro Monat findet eine interne Zentrumsbesprechung statt. Dort werden vor allem organisatorische Dinge besprochen, aber auch Fragen geklärt, welche für die Gemeinschaft wichtig sind. Zu dem Verein zählen rund 70 Menschen, 13 davon leben im Zentrum. Die Mitglieder bezeichnen sich selbst als Laien. Dies bedeutet, dass sie im Unterschied beispielsweise zu den Mönchen und Nonnen voll im Leben stehen, also arbeitstätig sind, Kinder und Familie haben, aber trotzdem auch Buddhist*innen sein können. Im Haus wohnen momentan sieben Erwachsene und sechs Kinder: Das sind zum einen zwei Familien, mit je zwei bzw. drei Kindern; zum andern eine Wohngemeinschaft, die aus drei Einzelpersonen besteht und einem Vater mit seiner 16-jährigen Tochter, die im Haus aufgewachsen ist. 

Bild: Sophie Adler, Leandra Valdivizo, Antonia Hirzel

Das Haus besteht ausser dem Erdgeschoss und dem Dachgeschoss aus vier Stockwerken, in denen je eine Familie/Gruppe lebt. Die grosszügig gestaltete Küche im ersten Stock ist neben der Gompa der Mittelpunkt des Hauses und soll den Gemeinschaftsgedanken stärken. Sie wird von allen Vereinsmitgliedern gemeinsam genutzt. Wer Hunger hat, kann sich dort etwas zu Essen machen. Dieses Konzept wird hauptsächlich angewendet, um Werte wie das Teilen und die Solidarität zu stärken. Die Menschen leben zusammen, haben aber alle auch ein Leben ausserhalb. Sie pflegen Freundschaften ausserhalb der Gemeinschaft. Auch ihre Arbeitsstelle ist nicht mit dem Zentrum verbunden.

In der Gompa meditieren alle zusammen jeweils täglich um 20 Uhr. Zusätzlich hat jedoch auch jede*r hat eigene Meditationspraxen. Andere Rituale sowie spezielle Feiertage und Feste werden im Zentrum nicht praktiziert und gefeiert. Im Dachgeschoss des Hauses werden derzeit Gästezimmer eingebaut. Laut Eric kann man hier «Buddhismus in Action» sehen: Es wird gemeinsam an einem Gruppenprojekt gearbeitet. Man unterstützt und hilft sich gegenseitig und hat ein gemeinsames Ziel.

Bild: Sophie Adler, Leandra Valdivizo, Antonia Hirzel

Das buddhistische Zentrum bietet auch für Aussenstehende Kurse an. So gibt es tägliche Meditationen, die auch auf Englisch stattfinden, Einführungen für neue Interessierte und neben dem Themenabend, der jeden Donnerstag stattfindet, auch eine Einführung zu grundlegenden buddhistischen Fragen.

Erics Weg zum Buddhismus

Eric wuchs in einer christlichen Familie in Deutschland auf. Mit 15 Jahren suchte er nach dem Sinn des Lebens und entwickelte ein grosses Interesse für den Buddhismus. Der entscheidende Punkt für sein Interesse war, dass der Buddhismus nicht nur über die Welt und deren Entstehung nachdenkt, sondern auch eine Methode aufzeigt, wie man sich im Leben besser fühlen kann. Der Buddhismus gab Erics Gefühlen einen Sinn. Bevor er mit anderen Personen, die den Buddhismus praktizierten, in Kontakt kam, schaute er sich Videos eines buddhistischen Lehrers auf YouTube an.

«Je mehr ich den Buddhismus praktiziere, desto entspannter fühle ich mich.»

Eric

Erics Familie hielt sein Interesse am Buddhismus zunächst für eine Phase, doch sie merkte bald, dass der Buddhismus nicht mehr aus Erics Leben verschwinden würde. Immer wieder riet ihm seine Familie, zum Christentum zurückzukehren, damit er später auch christlich heiraten könne. Heute akzeptiert die engste Familie Erics Entscheidung und steht hinter ihm, was man von seinen Grosseltern allerdings nicht behaupten kann. Seine Grosseltern sind der Ansicht, dass alle aus ihrem Dorf Christen sind und er dies deshalb ebenfalls sein sollte. Abgesehen davon reagierte seine Familie jedoch verständnisvoll und zeigte auch Interesse. Für Eric war es dennoch ein grosser Schritt, seiner Familie zu gestehen, dass er aus dem Christentum austreten und zum Buddhismus konvertieren wolle.

Bild: Sophie Adler, Leandra Valdivizo, Antonia Hirzel

Mit 22 Jahren fing Eric an, Philosophie zu studieren. Einer seiner damaligen Freunde fragte ihn, ob er Interesse hätte, eine buddhistische Gruppe zu besuchen. Es war eine Gruppe des sogenannten Diamantweges in Graz. Schnell knüpfte Eric dort neue Freundschaften. Zudem nahm er an Messen teil, in deren Rahmen er Ole Nydahl kennenlernte. Durch ihn lernte er weitere neue Leute kennen und verschiedene buddhistische Zentren in Europa. In Graz praktizierte er vier verschiedene Meditationsarten, welche er bis heute noch jeden Morgen durchführt. 

2022 kam Eric für ein Doktoratsstudium nach Bern. Seither lebt er hier im buddhistischen Zentrum. Ein typischer Tag von Eric beginnt immer mit einer Stunde Meditation. Danach geht er zur Arbeit und führt einen normalen Alltag. Abends meditiert er jeweils mit der Gruppe und studiert nebenbei auch noch buddhistische Bücher. Was ihm am meisten gefällt, ist das Zusammenleben und der Austausch mit den Menschen, die dieselbe Religion praktizieren. Heute ist der Buddhismus fester Bestandteil in Erics Leben.

Kontakt

Diamantweg-Zentrum Bern
Gerberngasse 14
3011 Bern

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https://buddhismus.org/buddhismus-zentrum/bern/

8 Antworten

  1. Artin sagt:

    Sehr spannend. Am meisten gefallen mir die Bilder von Erik! Ich frage mich, ob man in dieser Religion an Karma glaubt.

  2. Mila sagt:

    Ich habe noch nichts über die Religionsgemeinschaft gewusst und daher viel Neues gelernt. Besonders spannend finde ich die Geschichte mit Ole Nydahl. Insgesamt ein sehr gelungenes Porträt.

  3. Annina sagt:

    Mir gefällt es wie das Porträt verfasst wurde. Besonders gefällt mir den Text über Erics Weg zum Buddhismus. Das Porträt beantwortet eigentlich alle meine Fragen.

  4. Kiruththiga sagt:

    Ich finde das Religionsporträt sehr interessant. Besonders spannend finde ich, dass ihr nicht nur das Glauben und die Ziele repräsentiert habt, sondern auch etwas über Eric und seinem Weg erzählt habt.

  5. Lina sagt:

    Ich kannte die Religion nicht und vieles war dadurch für mich neu. Ich fand den Aufbau sehr gut gewählt und fand den Text mit der Sprache sehr gut verständlich.

  6. Livia sagt:

    Bisher wusste ich noch nichts über diese Religionsgemeinschaft. Mich hat vor allem der Abschnitt zu dem Aufbau der Gemeinschaft interessiert. Sehr verständlich und interessant geschrieben.

  7. Cyril sagt:

    Ich finde die Lebensgeschichte von Eric sehr inspirierend, auszubrechen und die Sicht auf die Welt zu erweitern. Erstaunt hat mich, dass in dieser kleinen Gemeinschaft ganze Familien mit Kindern involviert sind.

  8. Finn sagt:

    Da ich die Religion vorher noch nicht kannte, war es für mich umso interessanter euer Porträt zu lesen. Besonders die Entstehung der Religion hat mich sehr fasziniert.

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