Zen-Gruppe Bern: Erkenntnisweg

Bild: Emma Vincent, Guillaume Mourgue d’Algue und Simea Maraia

Die Zen-Gruppe in Bern gehört nicht zu den klassischen Religionsgemeinschaften und würde sich selbst nicht als Kirche oder Freikirche bezeichnen. Es handelt sich mehr um eine unverbindliche Gemeinschaft, an der jeder teilhaben darf, egal welcher Religion er angehört. Zusammen gilt es, den Weg der Erkenntnis zu erforschen und ein Gleichgewicht zum hektischen Alltag herzustellen. 

Von Emma Vincent, Guillaume Mourgue d’Algue und Simea Maraia

Der Zen-Buddhismus stammt aus dem Mahayana-Buddhismus und ist heute vor allem in Japan, Amerika und Europa verbreitet. Im Unterschied zu anderen Religionen geht es im Zen-Buddhismus nicht darum, einen Gott anzubeten oder die Erlösung im Jenseits, es geht mehr um die Praxis zur Erkenntnis und den dazugehörenden Erkenntnisweg. Buddha ist dabei überall und mit allem verbunden und genau diese Verbindung gilt es zu erforschen und zu erleben.

Mitglieder der Zen-Gruppe

Die Zen-Gruppe aus Bern gehört zu einer europaweiten Vereinigung, die sich auf den japanischen Zen-Meister Taisen Deshimaru zurückführt. Taisen Deshimaru kam 1969 nach Paris, wo er Schüler ausgebildet hat und auf diesen Weg brachte. Er hat zusätzlich viele Tempel und Dojos gegründet. Dojos sind Trainingsräume, in denen man den Zen-Buddhismus praktizieren kann. Eine festgelegte Teilnehmeranzahl gibt es in der Zen-Gruppe nicht. Sie variiert immer wieder und die Teilnehmer bleiben verschieden lange oder praktizieren an verschiedenen Orten. Einige besuchen die Kurse täglich, andere kommen nur einmal in der Woche oder sogar noch weniger. Begleitet werden die Sitzungen von je zwei Leitern, die das Ganze leiten und die Hauptverantwortung tragen. Jeden ersten Dienstag des Monates gibt es eine Einführung für Interessierte. Wenn man an dieser Einleitung teilgenommen hat, kann man Kurse besuchen, wann man will. Mehrmals im Jahr gibt es Events, bei denen sich die Mitglieder der Gruppe treffen und zusammen praktizieren. Einmal im Jahr, im Herbst, gibt es ein 3–4-tägiges intensiv Sitzen, das von verschiedenen Dojos der Schweiz organisiert wird. Dabei geht es vor allem darum, Zeit zusammen zu verbringen und sich untereinander auszutauschen.

Praxis und Ziele

Viele Mitglieder, welche die Zen-Gruppe besuchen, belastet das Gefühl, sich selbst noch nicht gefunden zu haben. Sie erkennen, dass ihnen etwas fehlt und die Lösung nicht im Aussen zu finden ist, denn der Geist allein verursacht das Leiden. Gerade bei Menschen, die keinen Zen-Buddhismus praktizieren, sei dieses Problem zentral, weil sie Buddha im hektischen Alltag verloren hätten und somit auch die Suche nach sich selbst. Diese Suche nach sich selbst, nach Buddha in allem, nennt man den Erkenntnisweg. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass der eigene Weg nie ein Ende hat und man immer weiter praktiziert bzw. dass man den Weg immer weiter erschafft. Denn das, was in einem selbst drinnen steckt ist, ist wie Buddhas Natur unveränderbar.

Bild: Béria L. Rodríguez, Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Beria

Auf dem Erkenntnisweg stellen sich verschieden Hürden, die es zu überwinden gilt. Genau darum ist es sehr wichtig, den Zen-Buddhismus regelmässig zu praktizieren. Nur mit regelmässigem Training wird man besser und es wird folglich einfacher, den Weg der Erkenntnis zu bewältigen. Am besten empfiehlt sich ein tägliches Training. Dabei meditiert man während zweimal 35 Minuten in totaler Stille, das sogenannte Shikantaza. Es ist sehr wichtig, dass man sich dabei in einer Sitzposition befindet, auf seinen Atem achtet und ganz bei sich selbst bleibt. Dabei treten oft physische sowie psychische Herausforderungen auf, die es zu bewältigen gibt. Denn schlussendlich ist die Herausforderung der Weg zur eigenen Erkenntnis. Es ist sehr wichtig, früh zu erkennen, ob die Praxis einen anspricht oder eher belastet. Falls man sich nicht wohl damit fühlt oder die Aufgabe zu grosse Schwierigkeiten mit sich bringt, sollte man lieber nicht weitermachen und akzeptieren, dass man noch nicht bereit dazu ist. Das Trainingsmaterial zur Praxis wird einem zu Verfügung gestellt, um den Weg zu gehen. Diesen geht man jedoch selbständig, da jeder seinen eigenen Erkenntnisweg hat. Während der Sesshins (d.h. Versammlung bzw. Konzentration des Geistes) gibt es keine Vorschriften: jeder darf in seinem eigenen Tempo arbeiten. Während des ganzen Weges betet man keine höhere Macht an, sondern konzentriert sich ganz auf sich selbst. Am Ende ergibt sich die Lösung auf die Frage „Wer bin ich?“ Dabei ist es sehr wichtig, sich bewusst zu werden, wie der Geist funktioniert und wie man ihn verstehen kann.

Während des Sitzens werden oft Texte vorgelesen, welche intellektuell nicht verständlich sind, sondern nur emotional. Es geht darum, sie zu erfahren und zu erleben. Diese Art der eigenen Auseinandersetzung nennt man die Textlehre. Meistens sind die Texte auf altjapanisch und es handelt sich um Texte, in denen grosse Meister ihre Erkenntnisse in eigenen Worten schildern. Sie probieren in ihren Texten, möglichst bildhaft ihre Erfahrungen wiederzugeben. Die Praktizierenden fühlen beim Zuhören der Texte etwa Hass, Freude oder andere Gefühle. Dabei entsteht in ihnen der Drang, in sich selbst Klarheit und Ruhe zu finden. Die Texte führen den Geist zum Frieden und darum ist es wichtig, dass man nicht nur den Text, sondern auch den Geist erfährt. Um sich ganz auf sich selbst fokussieren zu können, findet das Sitzen meisten in sehr leeren und ruhigen Räumen statt. Meistens hat es nur einen kleinen Altar in der Mitte des Raumes, sonst keine weiteren Gegenstände. Diese Raumgestaltung bewirkt, dass man sich während des Prozesses nicht ablenken lässt. So wird einem bewusst, dass es nicht viel im Aussen braucht, um im Inneren fündig zu werden. Es ist auch möglich, den Zen-Buddhismus zuhause auszuführen und zu erleben.

Bild: Emma Vincent, Guillaume Mourgue d’Algue und Simea Maraia

Meister und Schüler

Normalerweise wird man während des Erkenntnisweges von seinem eigenen Meister begleitet, den man sich selbst aussuchen kann. Gerade am Anfang, während des Sitzens, entstehen grosse Herausforderungen und die damit verbundene Belastung. Mit einem Meister an der Seite erkennt man, dass man nicht allein ist und dass man einen Mehrwert hat. Es können persönliche Fragen gestellt werden und man kann die Gefühle, die während der jeweiligen Etappen des Prozesses auftauchen, teilen. Die Unterstützung des Meisters ist jedoch nicht notwendig und man kann auch gut ohne einen Meister sein Ziel erreichen. Am wichtigsten sind das Praktizieren und der allgemeine Austausch mit anderen Leuten. Die sogenannten Sesshins sind sehr wichtig, da man gerade dort Kontakt mit anderen Praktizierenden pflegen kann, die das gleiche durchmachen und erleben. Man kann sich austauschen und Fragen zu der Praxis und zum Erkenntnisweg stellen.

Das Ziel des Zen-Buddhismus ist es, die Praxis der Erkenntnis zu beherrschen und Buddha zu sehen und zu fühlen. Schlussendlich geht es auch darum, seine Erkenntnisse weitergeben zu können und anderen auf ihrem eigenen Weg zu helfen. Ein Meister ist man erst, wenn man als Schüler den eigenen Erkenntnisweg erlebt hat und von seinem Meister anerkannt wird. Die Tradition will es, dass der Meister die Lehre zur Erkenntnis an seine Schüler weitergibt und diese dann, als Meister, das gleiche bei ihren Schülern wiederholen. Dabei ist es sehr wichtig, dass nur Meister Schüler haben dürfen. Die zwei Leiter der Zen-Gruppe in Bern dürfen also noch keine eigenen Schüler haben, da sie noch keine Meister sind. Jedoch dürfen sie Fragen beantworten und den Prozess der Einzelnen begleiten. Heutzutage gibt es immer wie mehr Leute, die den Zen-Buddhismus praktizieren. Dadurch gibt es selbstverständlich mehr Meister und das Ganze wird institutioneller. 

«Verliere dich nicht in Erinnerungen.
Träume nicht von der Zukunft.
Konzentriere deinen Geist auf die Gegenwart.»

Buddha

Das Zitat von Buddha zeigt seine eigenen Erkenntnisse während des Erkenntnisweges. Das Zitat will zeigen, dass wir als Individuum zu oft in unserer Zukunft und Vergangenheit wandern. Dies führt zu einem Leiden des Geistes. Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass die Vergangenheit vorbei und die Zukunft ein Traum ist. In der Zukunft und der Vergangenheit verpasst man den Moment und verliert sich in seiner Tätigkeit. Es ist wichtig, in die Gegenwart zurückzufinden und somit zu sich selbst. 

Kontakt

Zen-Gruppe Bern
Gutenbergstrasse 31
3011 Bern

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https://www.zenbern.ch



6 Antworten

  1. Yael sagt:

    Ich fand euern Text sehr angenehm zum lesen. Das Schlusszitat und das Schlusswort fand ich sehr gut gewählt. Es regt einen zum Nachdenken an.

  2. Rona sagt:

    Die Rituale (Training, Meditieren, Vorlesen von Texten..) werden sehr verständlich erklärt. So bietet der Text einen guten und detaillierten Einblick in den Zen-Buddhismus.

  3. Serena sagt:

    Der Text ist sehr informativ und man erhält einen spannenden Eindruck in den Zen-Buddhismus.

  4. Gaia sagt:

    Ein sehr spannender Beitrag, besonders den Fokus auf die Praxis (Rituale etc.) finde ich sehr gut gewählt und durchgeführt.

  5. Julia sagt:

    Ich habe das Wort Zen schon oft gehört, wusste aber nie wirklich was es bedeutet und was damit verbunden ist. In eurem Porträt habe ich das sehr gut und schnell erfahren können. Es ist weder zu kurz, noch zu lang.

  6. Tanaya sagt:

    Die Rituale und die Ziele des Zen-Buddhismus sind sehr gut und ausführlich beschrieben. Die Idee, nur mit dem eigenen Körper sich selbst zu finden, gefällt mir besonders.

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