Dzemat Bern: Gemeinschaft

Bild: Roya Rouhani, Lenya Hofstetter, Kiruththiga Vigneswaran

«Dzemat» oder übersetzt «Gemeinschaft»: Wie schon der Name besagt, ist die Dzemat Bern weit mehr als ein Gebetsort. Im Dzemat-Gebäude trifft sich die bosnisch-muslimische Gemeinschaft Berns nicht nur, um gemeinsam zu beten, sondern auch um zu feiern, zu essen oder ein Fussballspiel zu schauen.

Von Roya Rouhani, Lenya Hofstetter, Kiruththiga Vigneswaran

Ein Stück Bosnien in der Schweiz

In der Berner Dzemat wird die für Bosnien und Herzegowina traditionelle sunnitische Glaubensrichtung des Islams praktiziert. Der Islam bosnischer Prägung setzt sich zusammen aus osmanischen, slawischen und westlichen Einflüssen. Im Allgemeinen ist der in Bosnien gelebte Islam weniger strikt als in anderen Ländern. So wird zum Beispiel der Koran oft auf Bosnisch übersetzt und auch in dieser Sprache rezitiert. Im Vordergrund stehen nebst den religiösen Vorgaben des Koran auch die bosnische Kultur und Tradition sowie die familiäre und gemeinschaftliche Dimension des Glaubens. Deshalb beschlossen wegen des Bürgerkriegs in die Schweiz geflohene bosnische Muslime im Jahr 1991 den Kulturverein «Dzemat Bern» zu gründen. 

«Unsere Gemeinschaft entstand aus dem Bedürfnis, ihre Kultur, Traditionen und den islamischen Glauben zu bewahren und weiterzugeben.»

Sabahudin Mujanovic, Vorstandsmitglied/Sekretär Dzemat Bern

Obwohl die grosse Mehrheit der Mitglieder schon lange in der Schweiz lebt und die Dzemat wesentlich zur Integration beitrug, sei, so das Dzemat-Vorstandsmitglied Sabahudin Mujanovic, die Verbundenheit zum Heimatland geblieben. Es erstaunt deshalb nicht, dass in der «Dzemat» neben Ritualen und Traditionen auch kulturelle Veranstaltungen, Feste und der Erhalt der bosnischen Sprache und Bräuche im Zentrum stehen. Im muslimischen Fastenmonat Ramadan bringen die Angehörigen der Dzemat abends Speisen mit, so dass daraus ein grosses Bankett zum Fastenbrechen entsteht. Im Ramadan fasten die Angehörigen der Dzemat als Muslime ansonsten von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang (Saum) und verzichten nebst Nahrung und Getränke auch auf weitere weltliche Genüsse und negatives Verhalten. Das Fastenbrechen sei besonders für die Kinder der Dzemat immer ein aufregendes und schönes Erlebnis, so Sabahudin Mujanovic.

Gebete und Rituale

Ein zentrales Ritual ist das gemeinsame Gebet, wobei zuvor die traditionelle Waschung vorgenommen wird. Diese wird gemacht, um sich von Schmutz zu befreien und Allah damit respektvoll zu begegnen. Daher befinden sich bei den Toiletten lange Waschbecken. Gewaschen werden müssen Gesicht, Hände und Beine. Darauf folgt der erste Akt der Anbetung, das Glaubensbekenntnis (Shahada), das bei unserem Besuch in der Dzemat ein junger Mann über das Mikrofon rezitiert: «Es gibt keinen Gott ausser Gott, und Muhammed ist der Gesandte Gottes.» Muslime wiederholen dieses Bekenntnis fünfmal täglich im Gebet (Salat), nämlich im Morgengrauen, mittags, nachmittags, nach Sonnenuntergang und nachts. Nach dem gemeinsamen Gebet beteten Sabahudin und seine Kollegen bei unserem Besuch alle noch einzeln.

Bild: Roya Rouhani, Lenya Hofstetter, Kiruththiga Vigneswaran

Die Gebete können allein oder in einer Gruppe an einem sauberen Ort, vorzugsweise in einer Moschee, durchgeführt werden. Für das Beten wird eine Gebetsmatte benutzt, in der Moschee wird ist der Boden mit Teppich ausgelegt, auf dem die Gebetsreihen (Saff) markiert sind. Das Freitagsgebet (Jumu'ah) ist besonders wichtig. Ausserdem werden täglich Ausschnitte aus dem Koran rezitiert.

Eine andere wichtige spirituelle Praxis sind die zwei Eid-Feste (Bajram). Das erste Eid-Fest, auch Zuckerfest genannt, wird nach dem Fastenbrechen am Ende des Ramadans gefeiert. Das Opferfest als zweites Fest findet nach dem Mondkalender etwa zwei Monate später statt. Die Feste dauern jeweils drei Tage lang.

Zu weiteren religiösen Geboten gehört die obligatorische Abgabe von 2,5 Prozent des Einkommens und Vermögens (Zakat), um damit Bedürftigen helfen zu können. Ebenfalls zu den Traditionen gehört die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch), welche jeder Muslim, der finanziell und körperlich dazu in der Lage ist, einmal im Leben gemacht haben sollte. Die Pilgerfahrt symbolisiert die Einheit und Gleichheit aller Muslime.

Kulturverein als Träger der Moschee

Der «Bosniakische Kulturverein – Dzemat Muri bei Bern» wird geleitet vom Imam, welcher die täglichen Gebete und zusätzlich das Freitagsgebet (Jumu'ah) und das Tarawih-Gebet im Ramadan spricht. Zudem bietet er Beratung und Unterstützung für seine Gemeinde, organisiert Bildungsprogramme wie Koranunterricht und Vorträge sowie Eheschliessungen (Nikka), Namensgebungen (Aqiqa) und Beerdigungen. Sabahudin Mujanovic, unser Interview Partner, ist als Vorstandsmitglied und Sekretär des Kulturvereins verantwortlich für die Korrespondenz und das Verfassen von Protokollen und berichtet ausserdem über Moscheeaktivitäten. Mohammed ist in der Moschee als Religionslehrer tätig. So führt er auch am Abend unseres Besuchs Koran- und Arabischunterricht für eine sogenannte «Bildungsgruppe» aus Kindern und Jugendlichen durch. Dazu benutzt er einen Bildschirm, auf die er die Schriftzeichen schreibt, manchmal aber auch eigens entwickelte Apps, mit welchen man die Aussprache der Zeichen lehnen kann. Ausserdem unterstützen verschiedene Gruppen die Gemeindemitglieder bei der Organisation und Durchführung der Pilgerreise nach Mekka. Der Dzemat-Verein betätigt sich nicht zuletzt wohltätig, indem er beispielsweise Spenden für Krisenregionen sammelt.

Die Moschee

Die Räumlichkeiten der bosnischen Moschee befinden sich im Erdgeschoss eines Bürogebäudes. Der Gebetssaal ist mit Teppich ausgelegt, der durch Linien strukturiert ist, die den Gläubigen die Reihen für das Gebet anzeigen. Zuvorderst sitzt der Imam, hinter ihm die Männer und danach in der anderen Hälfte die Frauen. Auffallend sind der Predigtstuhl für den Imam und der Koranhalter nebendran, welcher tief steht, da zum Beten und Predigen an Boden gekniet wird. Auf der rechten Seite des Raumes gibt es ein Bücherregal mit zahlreichen Ausgaben des Korans in verschiedenen Formaten sowie in bosnischer und arabischer Sprache. Zuunterst sind für die Kinder gut erreichbar die Bilderbücher, welche die Geschichte des Propheten erzählen. Daneben steht ein Ständer mit Gebetsketten, die aus genau 33 Perlen bestehen.

Bild: Roya Rouhani, Lenya Hofstetter, Kiruththiga Vigneswaran

Dekorative arabischen Kalligrafien in sogenannter «Kufi-Schrift» prägen den Raum. Lange LED-Lichtstreifen an der Decke lassen die Säulen mitten im Gebetsaal wie Palmen aussehen. Die Säulen symbolisieren einerseits Wachstum und Leben, andererseits sind sie ein Hinweis auf Mekka. Interessant ist auch der digitale Kalender an der Wand des Gebetsraums, auf dem angegeben wird, wann die Sonne jeweils auf- und untergeht. Besonders im Ramadan ist dies für die Gemeinschaft wichtig zu wissen. Sabahudin Mujanovic zeigt uns einen grossen gedruckten Kalender, welcher auch noch die Mondphasen zeigt, meint aber schmunzelnd, mit dem digitalen Kalender sei es schon etwas einfacher. Ein schönes Beispiel dafür, wie die Dzemat Religion und Tradition mit der Moderne vereint.

Neben dem Gebetsaal gibt es einen Raum mit niedrigen Sofas in leuchtendem Rot und mit farbenfrohen Mustern, wie sie für die bosnische Kultur typisch sind. Dieser Raum wird sowohl für den Religionsunterricht als auch als Gemeinschaftszimmer gebraucht. Weiter gibt es eine kleine Küche, Toiletten und einen Eingangsbereich, welcher mit gemütlichen Sofas und vielen Tischen möbliert ist wie ein kleines Café. 

Gemeinschaftsalltag

Da die Angehörigen der Dzemat unter der Arbeitswoche ihren Berufen nachgehen, konzentrieren sich ihre Aktivitäten im Vereinslokal in der Regel auf die Zeit zwischen Donnerstag und Sonntag. Daher sind von Montag bis Donnerstag jeweils meist nur 20 bis 30 Besucher*innen aus insgesamt 300 Vereinsmitgliedern zu erwarten. Freitagabend steigt die Zahl auf 30 bis 70 Besucher*innen. Am Wochenende treffen sich vorwiegend Familien mit Kindern, so dass meist 30 bis 50 Personen zusammenkommen. In der Fastenzeit steigt die Anzahl der Besucher*innen deutlich, so sind dann nach Sonnenuntergang bis zu 80 Leute zu erwarten. Am meisten Leute sind wochentags am Abend anwesend, da um 20 Uhr der Koran-Unterricht für Kinder und Jugendliche beginnt. Ausserdem sitzen nach dem Abendgebet die Männer und Frauen im Aufenthaltsraum je noch zusammen zum Plaudern und Essen oder Fernsehen. Bei diesem gemütlichen Ausklang sind oft auch Bekannte von Dzemat-Mitgliedern anwesend, die selbst nicht zur Dzemat gehören. Das Vereinslokal wird somit abends zu einer Art Quartiertreff.

Bild: Roya Rouhani, Lenya Hofstetter, Kiruththiga Vigneswaran

«Die Gemeinschaft ist offen für alle, auch Leute nicht-muslimischen Glaubens.»

Sabahudin Mujanovic, Vorstandsmitglied/Sekretär Dzemat Bern

Die vielfältigen Aktivitäten der Dzemat und ihrer Moschee werden vollständig durch freiwillige Spenden der Dzemat-Mitglieder sowie von weiteren Spender*innen finanziert. Damit tragen diese entscheidend zum Unterhalt der Räumlichkeiten bei und ermöglichen u. a. die verschiedenen gemeinschaftlichen Anlässe. 

Kontakt

Bosniakischer Kulturverein – Dzemat Muri bei Bern
Worbstrasse 166
3073 Gümligen

https://dzematbern.ch/

4 Antworten

  1. Artin sagt:

    Ich wusste nicht, dass es Moscheen gibt, die Elemente von der Bosnischen Kultur haben. Mir gefällt das Layout sehr.

  2. Nina sagt:

    Ich finde es schön, dass die Gemeinschaft offen für alle ist und nicht nur religiöse, sondern auch soziale und kulturelle Aktivitäten anbietet.

  3. Mila sagt:

    Ein schönes Porträt. Spannend, dass die Gemeinschaft offen für alle ist. Wisst ihr, wieso das so ist?

  4. Lea sagt:

    Ich finde ihr habt die Gemeinschaft sehr schön Porträtiert. Mir war nicht bewusst wie viel Bosnier*innen hier zusammenkommen. Reisen dann auch Mitglieder von weiter entfernt an?

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