Bahá'í: Eine Religion, die verbindet

Bild: Artin Raza, Helen Rubi und Livia Sigrist

«Lasst euren Blick weltumfassend sein» – Dies ist ein Satz aus den Lehren Bahá'u'lláhs, des Gründers der Bahá'í-Religion. Dieser Satz ist zentral in der Bahá'í-Religion und ist deshalb auch das Erste, was man sieht, wenn man die Webseite von Bahá'í Schweiz besucht.

Von Artin Raza, Helen Rubi und Livia Sigrist 

Da die Bahá'í-Religion noch eine junge Religion ist, gibt es praktisch keine Abspaltungen und sie wird eigentlich überall auf der Welt fast genau gleich ausgelebt. Wir durften für diesen Bericht das nationale Bahá'í-Zentrum der Schweiz besuchen. Aus diesem Grund gehen wir in diesem Bericht auf allgemeine Aspekte der Bahá'í-Religion ein und weniger auf eine spezifische Gemeinschaft.

Ursprung und Prinzipien 

Die Bahá'í-Religion entstand vor etwa 200 Jahren im heutigen Iran. Ihr Gründer ist Bahá'u'lláh (1817–1892), von dem kein Bildnis gemacht werden darf. Er erklärt, dass alle Religionen der Welt aus einer göttlichen Quelle entspringen und die Menschheit schrittweise leiten.

Die Bahá'í glauben daran, dass alle Religionen von demselben Gott geschaffen wurden. Nach ihnen gibt es eine Abfolge von Religionen, die nacheinander geschaffen wurden. Die Bahá'í sagen also nicht, dass ihre Wahrheit die einzige Wahrheit ist. Dies fördert einen respektvollen Umgang mit Anhänger*innen anderer Religionen. Sie glauben auch, dass die Bahá'í-Religion zwar die neuste in dieser Reihe der Religionen ist, jedoch nicht die letzte, die von Gott geschaffen wird. 

«Ich stelle es mir meistens so vor: Ein Computer macht immer wieder Updates, weil es neue Sicherheitslücken gibt oder neue Programme zum Herunterladen. Das gleiche stelle ich mir auch bei der Menschheit vor. Menschen haben vor 1000 Jahre nicht gleich gedacht wie heute.»

Elio Cortes, Interviewpartner

Nach Bahá'u'lláh haben alle Religionen dieselben Grundprinzipien wie zum Beispiel Werte wie Liebe, Mitgefühl und Gerechtigkeit. Es gibt jedoch Unterschiede zwischen verschiedenen Religionen, die auf kulturelle und zeitliche Umstände zurückzuführen sind. 

Die Bahá'í-Religion vertritt einige wichtige Prinzipien. Unter anderem: 

  • Gleichberechtigung von Mann und Frau: Männer und Frauen sind in allen Teilen des Lebens gleichgestellt. 
  • Bildung für alle: Egal aus welchem Land eine Person kommt oder wie viel Geld sie hat, Bildung soll für alle zugänglich sein. Bahá'í setzen sich insbesondere zu Gunsten von Mädchen und benachteiligten Gruppen für den Zugang zu Bildung ein. 
  • Abschaffung der Extreme von Armut und Reichtum: kein Mensch soll im Überfluss leben, während andere in Armut leiden.
  • Beseitigung jeglicher Vorurteile: Unterschiede wie Religion, Herkunft oder Geschlecht dürfen nicht zu einer Spaltung führen.

Dies zeigt, dass die Bahá'í-Gemeinschaft grossen Wert auf soziale Gerechtigkeit legt. Für die Bahá'í sind diese Prinzipien nicht nur vage Sehnsüchte, sondern Grundsätze von grosser Bedeutung für jede*n Einzelne*n.

In der Bahá'í-Religion gilt Gott als der Schöpfer aller Dinge. Menschen sind aber nicht in der Lage, seine Wirklichkeit mit ihrem endlichen Verständnis zu verstehen. Gott hat weder Geschlecht noch Form. Es gibt eine Metapher die das erklärt: Ein Schreiner erschafft einen Tisch. Der Schreiner ist Gott, der den Menschen (Tisch) erschafft hat. Der Tisch kann aber den Schreiner nie verstehen, weil sein Verstehen nicht ausreicht. Ebenso ist Gott für Menschen unbegreiflich, da er keine Form hat, die sich Menschen vorstellen können.

Bild: Artin Raza, Helen Rubi und Livia Sigrist

Die Bahá'í anerkennen eine Vielzahl Propheten anderer Religionen, darunter Moses, Jesus, Mohammed, Krishna usw. Diese werden als göttliche Lehrer betrachtet, die in den verschiedenen Zeitaltern die Menschen geleitet haben. Bahá'u'lláh wird als der jüngste in dieser Reihe von Propheten angesehen. Seine Lehren gelten für die heutige Zeit als Wegweiser und sollen uns helfen, Herausforderungen zu überwinden. 

In der Bahá'í-Religion wird nicht an Reinkarnation (Wiedergeburt) geglaubt. Die Bahá'í glauben daran, dass die Seele nach dem Tod auf ewig weiterwandert in den Welten von Gott. Diese Welt ist nicht physisch. Das bedeutet, dass die Seele unabhängig vom Körper existieren kann, jedoch der Körper nicht ohne die Seele. Es gibt auch keinen physischen Himmel und keine physische Hölle, in der man nach dem Tod lebt. Wenn man ein gutes Leben geführt hat und wenig bis keine Sünden gemacht hat, ist man nach dem Tod näher an Gott, was mit dem Himmel verglichen werden kann. Beim Führen eines schlechten Lebens mit vielen Sünden, wie zum Beispiel Einnahme von Alkohol und Drogen, ist man nach dem Tod Gott weit entfernt, was mit der Hölle gleichgesetzt werden kann. 

Schriften und Feste 

Die Schriften der Bahá'í-Religion, die als Offenbarungen Gottes an Bahá'u'lláh und an den Báb (seinen Wegbereiter) angesehen werden, und die von 'Abdu'l-Bahá (seinem Sohn und Nachfolger) interpretiert und verbreitet wurden, spielen eine zentrale Rolle im Glauben. Bahá'u'lláhs wichtigstes Werk ist das «Kitáb-i-Aqdas» (Das Heiligste Buch), das Gesetze und Lehren für das geistige und gesellschaftliche Leben enthält. Weitere bedeutende Schriften sind das «Buch der Gewissheit» und die «Verborgenen Worte», die über spirituelle Erkenntnisse, Tugenden und die innere Entwicklung des Menschen sprechen. Die Schriften betonen die Einheit Gottes, der Religionen und der Menschheit und geben den Gläubigen Orientierung für ihr persönliches und gemeinschaftliches Leben.

Die Feste und Feiertage der Bahá'í sind mit wichtigen Ereignissen der Religion verbunden. Dazu gehören der Geburtstag Bahá'u'lláhs (12. November) und der Geburtstag des Báb (20. Oktober), die als heilige Tage gefeiert werden. Ein weiteres bedeutendes Fest ist Ridván (21. April bis 2. Mai), das an die Offenbarung Bahá'u'lláhs erinnert und «Fest der Freude» genannt wird. An diesen Tagen kommen die Bahá'í zu gemeinsamen Gebeten, Lesungen und Feiern zusammen. Die Feste betonen Werte wie Gemeinschaft, Freude und spirituelle Erneuerung. Sie stärken das Miteinander und feiern die Einheit der Menschheit – ein zentrales Ziel des Bahá'í-Glaubens.

In der Kultur der Bahá'í werden oft Feste und sonstige Anlässe veranstaltet für die Öffentlichkeit. Die halten sich meist in eher kleinerem Rahmen und können auch bei Anhänger*innen zuhause stattfinden. Bei diesen Anlässen geht es darum, die Religion weiter zu verbreiten und die Leute näher an sie heranzuführen. 

Gebete 

Im Zentrum der spirituellen Praxis stehen Gebet und Meditation. Tägliches Beten spielt eine wichtige Rolle im Leben der Gläubigen. Bahá'í sind verpflichtet, eines der drei vorgeschriebenen Gebete zu sprechen: das kurze Gebet, das mittlere Gebet oder das lange Gebet. Das kurze Gebet kann von Mittag bis Sonnenuntergang verrichtet werden, während das mittlere Gebet dreimal am Tag gesprochen wird. Das lange Gebet, das ausführlicher ist, kann zu einer beliebigen Tageszeit gebetet werden. Man muss nicht alle drei Gebete verrichten, sondern nur eines. Diese Gebete sind persönliche Gespräche mit Gott und helfen den Gläubigen, sich spirituell zu reinigen und ihrer Seele Frieden zu schenken. Die Gebete sind nicht an einen spezifischen Ort gebunden und können deshalb überall und jederzeit gebetet werden. 

Bahá'í in der Schweiz 

Die nationale Verwaltung der Bahá'í-Gemeinde Schweiz befindet sich an der Dufourstrasse 13 in Bern. Diese durften wir freundlicherweise besuchen und dort mit Elio Cortes ein Interview führen. Dieses Verwaltungsgebäude ist ein normales Wohnhaus, welches umfunktioniert wurde. Der Innenraum ist relativ schlicht gehalten. Nur ab und zu sind Bilder von Propheten und von 'Abdu'l-Bahá, des Sohns des Stifters, zu sehen. Auch einige heilige Gegenstände und Symbole sind vereinzelt aufzufinden.

Bild: Artin Raza, Helen Rubi und Livia Sigrist

Aufgrund des jungen Alters der Bahá'í-Religion ist sie auch in der Schweiz verhältnismässig wenig verbreitet. Die Bahá'í sind etwa seit 1903 in der Schweiz aktiv. In der ganzen Schweiz gibt mittlerweile ca. 1400 registrierte Anhänger der Bahá'í-Religion. Allein im Kanton Bern sind es schätzungsweise 130 Mitglieder. Weltweit befindet sich die Mitgliederzahl heute zwischen 7 und 9 Millionen. Die Bahá'í-Gemeinde befindet sich jedoch in einem stetigen Wachstum.

Kontakt

Schweizer Bahá'í-Gemeinde
Dufourstrasse 13
3005 Bern

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www.bahai.ch

9 Antworten

  1. Lea sagt:

    Da ich vorher nie von der Religion gehört habe, finde ich es umso spannender, mehr darüber zu lernen. Ihr habt die Grundsätze sehr schön und verständlich erklärt. Ich finde es sehr spannend, wie sie mit den verschiedenen Aspekten umgehen.
    Welcher Punkt hat auch am meisten überrascht ?

  2. Liam sagt:

    Bei diesem Religionsportrait war mir fast alles neu, deswegen war es für mich sehr informativ. Besonders gefällt mir wie die Denkensweise erklärt wird, welche besagt, dass alle Religionen aus einer göttlichen Quelle entspringen und so laut ihnen keine Religion die einzig wahre ist. Mich nimmt zu dieser Religionsgemeinschaft wunder, ob die Anzahl der Angehörigen tendenziell steigt oder sinkt.

  3. Nina sagt:

    Ich kannte diese Religion vorher nicht, deshalb war mir eigentlich alles nicht bekannt. Besonders spannend finde ich das Konzept von Himmel und Hölle als Nähe oder Ferne zu Gott nach dem Tod und die metaphorische Erklärung von Gott als unbegreiflichem Schöpfer.

  4. Lara sagt:

    Euer Portrait ist sehr informativ und schafft es, die Grundprinzipien der Bahá'í-Religion klar und verständlich darzustellen, denn diese war mir vorher nicht bekannt. Besonders gefallen hat mir die persönliche Note, wie das Zitat von Elio Cortes.

  5. Sophie sagt:

    Ich fand es sehr spannend mehr über diese Religion zu lernen und zu lesen, da ich es vorher noch nie gehört hatte. Ich finde den Text sehr lehrreich und interessant.

  6. Leandra sagt:

    Durch euer Porträt konnte ich viel neues über eure Religionsgemeinschaft lernen wie, dass die Bahá'í glauben, dass alle Religionen vom selben Gott geschaffen wurden. Mir gefällt an eurem Porträt, dass ihr viel detailliert beschrieben habt und auch die Metapher mit dem Tisch erwähnt habt.

  7. Kiruththiga sagt:

    Ich kannte diese Religion vorher noch nicht, deshalb konnte ich Neues dazulernen. Ich finde, die Prinzipien, die die Religion vertritt, sehr interessant.

  8. Emma sagt:

    Mir gefällt wie ihr die Religion vorgestellt habt. Voll gut!

  9. Finn sagt:

    Euer Porträt half mir sehr gut ein Bild von der Religion zu machen, da ich die Religion noch nicht kannte. Ich finde den Text zu den Gebeten sehr spannend.

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