JGB: Tradition, Religion, Kultur
Die Jüdische Gemeinde Bern vereint Tradition, Religion und Kultur. Mit ihren 300 Mitgliedern ist sie zwar eine kleine, aber dennoch bedeutende Gemeinde in der Tradition des Schweizer Judentums: Ein Porträt.
von Annina Emmenegger, Livia Vogt und Mila Rühl
Die Gründung der JGB
Die Jüdische Gemeinde Bern, kurz JGB, ist, wie der Name schon sagt, eine jüdische Religionsgemeinschaft. Nach Auskunft unserer Gesprächspartnerin, die wir in einem Berner Café treffen und die als Vertreterin der JGB anonym bleiben möchte, zählt die Gemeinde aktuell etwas mehr als 300 Mitglieder, dazu kommen noch Kinder. Die JGB ist orthodox geführt, obwohl die Mehrheit der Mitglieder eher dem konservativen Judentum angehört. Juden gibt es in der Schweiz schon lange. Im Mittelalter lebten sie vor allem in den grossen Städten wie Basel, Zürich, Solothurn oder eben Bern, doch wurden sie im Laufe der Geschichte verfolgt, vertrieben oder ermordet. Viele Juden fielen schweren Verfolgungen und Gewaltakten zum Opfer.
«Im 18. Jahrhundert durften Juden nur in Lengnau und Endingen im Kanton Aargau, in den sogenannten ‹Judendörfern› wohnen. Zu dieser Zeit hatten sie kein Wahlrecht und wurden nicht als normale Schweizerbürger angesehen.»
Vertreterin JGB
Mit der Emanzipation im 19. Jahrhundert erhielten die Juden dann Bürgerrechte und konnten sich erneut in grösseren Städten wie Bern niederlassen. So entstand dann Mitte des 19. Jahrhunderts die Jüdische Gemeinde Bern.
Religiöse Praxis und Feste im Alltag der Gemeinde
Die Jüdische Gemeinde Bern bietet eine Vielzahl an Veranstaltungen, die einen tieferen Einblick in die jüdische Kultur ermöglichen. Unter der Woche findet von 17.00 bis 18.00 Uhr ein Hebräisch-Sprachkurs statt, um die traditionelle Sprache des Judentums zu erlernen. Kinder von der 1. bis zur 9. Klasse besuchen den wöchentlichen Religionsunterricht, der jeweils zwei Unterrichtsstunden umfasst und am Montag, Dienstag und Donnerstag am späteren Nachmittag abgehalten wird. Ziel des Unterrichts ist es, die Kinder mit den grundlegenden Themen des Judentums vertraut zu machen, ihnen Orientierung und Sicherheit im Gottesdienst zu bieten und ihre jüdische Identität zu stärken. Eine besonders wichtige Fähigkeit, die dabei vermittelt wird, ist das Lesen der Tora und das Kennenlernen der Heiligen Schrift. Diese Fertigkeit ist insbesondere für die bevorstehende Bat-Mizwa bei Mädchen, die im Alter von 12 Jahren gefeiert wird, oder die Bar-Mizwa bei Jungen, die im Alter von 13 Jahren stattfindet, von grosser Bedeutung. Dabei wird die religiöse Mündigkeit zelebriert. Ein zentraler Bestandteil dieses Festes ist es, dass das Mädchen oder der Junge einen Ausschnitt aus der Tora, also aus den fünf Büchern Moses, vorträgt.
Jeden Freitagabend findet der Schabbat-Gottesdienst statt, ebenso ein grösserer Gottesdienst am Samstagmorgen. Nach dem Samstagmorgen-Gottesdienst gibt es in der Regel eine gemeinsame Mahlzeit. Die Anfangszeiten der Gottesdienste variieren je nach Jahreszeit. Der Gottesdienst ist jedoch nicht öffentlich und nur nach vorheriger Anmeldung zugänglich. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden dieses Jahr aufgrund des steigenden Antisemitismus in der Schweiz, verstärkt durch den israelisch-palästinensischen Konflikt, weiter erhöht. Die Gemeinde ermutigt ihre Mitglieder, wachsam und aufmerksam zu sein. Im vergangenen Jahr gab es viele Fälle von verbalen und auch körperlichen Übergriffen auf jüdische Schulkinder. Antisemitismus ist ein wiederkehrendes Problem, das von den Mitgliedern der Gemeinde unterschiedlich wahrgenommen wird. In Punkto Antisemitismus hat die Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Bildungsdirektion eine Webseite veröffentlicht. Diese bietet Informationen über Belästigungen, den Umgang damit und Anlaufstellen für Hilfe.
«Jeden Tag die Zeitung zu öffnen und irgendeine Geschichte über Antisemitismus zu lesen, ist keine grosse Freude. Egal ob man den Antisemitismus als grosses Problem ansieht oder nicht.»
Vertreterin JGB
Im Laufe des Jahres werden in der Jüdischen Gemeinde Bern über 28 Fest- und Fasttage gefeiert, darunter das Pessachfest, auch Befreiungsfest genannt, das Ende März stattfindet. Das Pessachfest ist ein wichtiges jüdisches Familienfest mit verschiedenen Riten. Es dauert sieben Tage, bei orthodoxen Juden sogar acht Tage. Während dieser Zeit darf kein gesäuertes Getreide verzehrt werden. Zu den gesäuerten Getreidesorten zählen Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Dinkel. Das Pessachfest erinnert an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei. Weitere bedeutende Feiertage in der Gemeinde sind Rosch Ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest, und Jom Kippur, der Versöhnungstag. An Jom Kippur verzichten Juden auf Arbeit, Essen und die Nutzung elektrischer Geräte.
Kulturelle Aktivitäten und Gemeinschaftsveranstaltungen
Die Jüdische Gemeinde Bern verfügt über eine Kulturkommission, die kulturelle Veranstaltungen für die Mitglieder organisiert. Die Themen dieser Veranstaltungen sind sehr vielfältig und umfassen unter anderem Literatur, Theater, Film, Oper, Musik und Kunst. Zweimal im Monat wird ein israelischer Tanzkurs angeboten, um die Kultur Israels besser kennenzulernen. Ausserdem findet einmal im Monat ein gemeinsames Essen für Familien und Senioren statt, um die Gemeinschaft zu stärken. Alle zwei Monate gibt es zudem einen Bücherkreis, welcher sich mit klassischer jüdischer Literatur befasst. Führungen durch die Synagoge werden ebenfalls von der Kulturkommission organisiert, sodass auch nichtjüdische Personen einen Einblick in die Berner Synagoge bekommen können. Neben der Kulturkommission gibt es weitere Kommissionen, die für unterschiedliche Aufgabenbereiche zuständig sind. Dazu gehört die Sozialkommission, die Sozialdienste anbietet, welche wiederum Personen in schwierigen Lebenssituationen berät, unterstützt und betreut. Ausserdem gibt es eine Synagogenkommission, eine Friedhofskommission und eine Finanzkommission. Des Weiteren existieren Vereine wie der Frauenverein, der allen jüdischen Frauen ab 18 Jahren offensteht. Dann ist da auch der jüdische Männerkrankenverein Bikur Cholim, dessen wichtigste Aufgabe es ist, kranke und einsame Männer zu besuchen, mit ihnen zu sprechen und sie am jüdischen Gemeindeleben teilhaben zu lassen. Ein weiterer Verein ist der jüdische Turnverein Bern JTV.
Struktur und Organisation der Gemeinde
Der Vorstand, der aus dem Gemeindepräsidenten oder der Gemeindepräsidentin sowie den Vorstandsmitgliedern besteht, wird von der Gemeindeversammlung gewählt. In der jüdischen Gemeinde Bern gibt es zwei Co-Präsidenten, Michel Ronen und Dalia Schipper. Für das Rabbinat ist Jehoschua Ahrens zuständig, der seit 2023 als Rabbiner in der Gemeinde tätig ist. Seine Ausbildung zum Rabbiner absolvierte er in Israel. Neben den traditionellen Aufgaben eines Rabbiners übernimmt Jehoschua Ahrens auch die Leitung der Vorbereitung der Gottesdienste. Darüber hinaus ist er nicht nur in der Jüdischen Gemeinde Bern, sondern auch in der Jüdischen Gemeinde Biel aktiv.
Eine grosse Herausforderung der Gemeinde ist das stetige Sinken der Mitgliederzahl. Deshalb ergreift die Jüdische Gemeinde Bern alle möglichen Massnahmen, um den Fortbestand und die Sicherung der Gemeinde zu gewährleisten. Die Jüdische Gemeinde Bern stellt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene eine Infrastruktur bereit, die es der jüdischen Minderheit in Bern ermöglicht, ein religiöses jüdisches Leben zu führen. Durch Gottesdienste, bereitgestellte Kurse und die Schule werden jüdisches Wissen und jüdische Lehren weitergegeben, sodass diese ein Bestandteil des Lebens in Bern bleiben und der Zusammenhalt der jüdischen Identität der Mitglieder gestärkt wird.
Die Gemeinde bemüht sich, die Angebote so attraktiv zu gestalten, dass sie alle Generationen ansprechen. Besonders Kinder und Jugendliche werden in den Grundlagen des Judentums gefördert, was ihnen dabei helfen soll, eine jüdische Identität zu entwickeln. Die Jüdische Gemeinde Bern fühlt sich eng mit Israel, der Heimat des jüdischen Volkes, verbunden und sieht es als ihre Aufgabe, die kulturellen und religiösen Traditionen innerhalb der Gemeinde zu bewahren und an die nächste Generation zu vermitteln. Zudem setzt sich die Gemeinde dafür ein, dass auch Kinder mit nur einem jüdischen Elternteil am Religionsunterricht teilnehmen können. Dieser findet in einem der zwei Schulräume im Gemeindehaus statt, das zudem auch ein Sekretariat, eine kleine Bibliothek, die auch als Pausenraum dient, ein Sitzungsraum und eine Küche beherbergt. Das Gemeindehaus ist an die Berner Synagoge angebaut, das eigentliche Kernstück der jüdischen Tradition. Hier finden Gottesdienste statt. Im Bern Wankdorf befindet sich zusätzlich ein jüdischer Friedhof.
Die Jüdische Gemeinde Bern ist zwar eher klein, dennoch bietet sie aber alles, was eine Religionsinstitution bieten muss, um die Zufriedenheit der Mitglieder zu gewährleisten und die Religionstradition zu bewahren. Es ist gut, dass es auch in Bern einen Ort gibt, an dem das Judentum praktiziert und gelebt werden kann.
Kontakt
Jüdische Gemeinde Bern
Kapellenstrasse 2
3011 Bern
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https://www.jgb.ch/
Die detaillierte Beschreibung der Feste, wie der Bar-Mizwa und der Schabbat-Gottesdienste, gibt einen tiefen Einblick in die religiöse Praxis der Gemeinde, dies gefällt mir sehr gut.
Mir gefällt an eurem Portrait, dass ihr viele verschiedene Themen beschreiben habt. Besonders interessant fand ich die Beschreibung des Alltags und die unterschiedlichen Angebote die die Gemeinschaft bietet.
Sehr spannendes Portrait! Ich finde es sehr interessant, dass die Gemeinde so viele Veranstaltungen und Kurse anbietet für ihre Mitglieder.
Ich wusste nicht, dass es ein Fest gibt bei dem die Mädchen und Jungen aus der Thora vorlesen müssen, das fand ich sehr spannend. Euer Porträt ist gut strukturiert und schön geschrieben.
Mir gefällt wie sie die Gemeinschaft gut beschrieben haben, auch wenn sie die Synagoge selbst nicht besuchen konnten. Besonders interessant finde ich dass viele Kommissionen und Veranstaltungen erläutert wurden. Mich interessiert noch, welche Rolle der Rabbiner in der Gemeinschaft in Biel spielt.
Spannend finde ich, dass die Gemeinde orthodox geführt wird, obwohl die Mehrheit der Mitglieder eher dem konservativen Judentum angehören. Das scheint wohl kein Problem darzustellen. Es ist immer wieder schrecklich hören zu müssen, das Anfeindungen von Personen nur aufgrund ihrer Religion, immer noch zur Tagesordnung gehören.
Ich fand den Aufbau des Textes sehr gut und das Ganze war verständlich geschrieben. Ich fand auch sehr spannend, dass ihr Themen wie den Antisemitismus mit einbezogen habt.
Ich habe gelernt, dass es eine Unterschied der Bezeichnung zwischen der Bat-Mizwa (Mädchen) und der Bar-Mizwa (Jungs) gibt.
Ich finde es schön, dass ihr die unterschiedlichen Angebote erwähnt habt. Konnte viel neues erfahren
Ich finde euer Porträt sehr interessant. Der Aufbau des Porträts ist geschickt gewählt und es verschafft einen guten Überblick über die Religionsgemeinschaft.