Konfirmation in Bern Bethlehem

Von Rona Karagök

Am Sonntag, dem 21. Mai, besuchte ich erstmals in meinem Leben bewusst eine Kirche – Anlass war eine Einladung zu einer Konfirmation.

Gemeinsam mit meiner Familie komme ich gegen 10.00 Uhr mit dem Tram bei der reformierten Kirche Betlehem an. Es handelt sich dabei um ein von aussen sehr modern wirkendes Gebäude, dessen Innenraum nicht sonderlich gross, dafür aber sehr hoch ist. Die Bänke sind gestuft angeordnet und zuvorderst befindet sich eine kleine Bühne. Diese ist nun speziell für die Konfirmation eingerichtet: An der hinteren Wand befindet sich eine von den Eltern der Konfirmand*innen gebaute Waage, beschriftet mit dem Wort Gerechtigkeit – das von den Konfirmand*innen gewählte Thema. Davor steht eine Wasserschale, in der eine Seerose schwimmt, ein langer Tisch mit abgedeckten Speisen und Getränken – dem Abendmahl – ein Korb mit ebenfalls von den Eltern gebastelten Gerechtigkeitssymbolen sowie mehrere grosse Vasen gefüllt mit farbenfrohen Blumen.

Beim Betreten der Kirche erhalten alle Anwesenden ein Programheftchen sowie ein kirchliches Gesangbuch. Als alle Platz genommen haben, beginnt die Konfirmation mit dem von Orgelmusik begleiteten Einzug der Konfirmand*innen in die Kirche. Danach folgt eine Begrüssung durch zwei der Konfirmandinnen, gefolgt von der Aufforderung, aufzustehen und gemeinsam ein Lied namens „Sonne der Gerechtigkeit“, zu singen. Auch dieses wird von der Orgel begleitet. Danach folgt ein Gebet.

Anschliessend stellen zwei der Konfirmanden dem Publikum verschiedene Fragen zum Thema Gerechtigkeit und fordern uns dazu auf, diese Fragen mithilfe grüner und roter Zettel mit ja bzw. nein zu beantworten. Nach diesem interaktiven Teil folgen weiter verschiedene Beiträge. So beginnen die Konfirmand*innen mit einem Liedbeitrag „See you again“ und spielen danach verschiedene Sketches zum Thema Gerechtigkeit vor, bei denen sie Themen wie Rassismus und Sexismus ansprechen. Anschliessend hält der Pfarrer eine Predigt zu Gerechtigkeit und es folgt ein weiterer Liedbeitrag. Abschliessend erzählt eine Kirchgemeinderätin vom Konflager.

Darauf folgt die eigentliche Konfirmation, bei der alle Konfirmand*innen einzeln auf die Bühne gerufen werden und der jeweils von ihnen gewählte Konfspruch vorgelesen wird, bevor der Pfarrer sie segnet. Danach verlassen sie die Bühne und erhalten ein Bild, eine Bibel und eine Kerze. Danach folgen zwei Musikbeiträge sowie ein Fürbittengebet. 

Im Anschluss daran findet das Abendmahl statt. Dieses wird eingeleitet durch eine Erklärung des Pfarrers, woher die Tradition des Abdnmahls stammt, das Lied „Grosser Gott, wir loben dich“ und das Vater Unser. In einem ersten Schritt werden anschliessend alle Konfirmand*innen sowie deren Gotten und Göttis zum Abendmahl nach vorne gebeten, wo ihnen Brot (Leib Christi) und Traubensaft (Blut Christi) überreicht wird. In einem zweiten Schritt werden alle Anwesenden dazu eingeladen, sich am Abendmahl zu beteiligen. 

Nachdem alle fertiggegessen und -getrunken haben, folgen noch einige Mitteilungen zu den nächsten Gottesdiensten sowie ein letztes Lied namens „Möge die Strasse uns zusammenführen“. Abschliessend sprechen einige der Konfirmierten einen Segen, bevor sie gemeinsam die Kirche verlassen. Auch wir verlassen die Kirche und setzen uns draussen auf eine Bank in der Sonne, als noch eine Überraschung folgt: Die Konfirmierten werden nach vorne zu einem Brunnen gebeten und ihnen werden Tauben überreicht, die sie zum Abschluss alle gemeinsam in den Himmel fliegen lassen. 

Wie im Bericht bereits erwähnt war ich vor diesem Anlass – abgesehen von Konzerten unserer Musikschule, die teilweise in der Kirche stattfanden – noch nie bewusst in einer Kirche für einen Gottesdienst oder ähnliches. Der christliche Glaube ist mir allgemein eher fremd, obwohl ich in der Schweiz in einem stark christlich dominierten Umfeld lebe. Dies kommt daher, dass in meiner Familie niemand christlich gläubig ist und ich auch nie kirchlichen Religionsunterricht besucht habe. Dementsprechend wusste ich im Vorfeld dieser Konfirmation auch nicht, wie ein solcher Anlass abläuft und worauf ich mich einstellen sollte. 

Während diesem gesamten Anlass fiel mir auf, wie beschränkt mein Wissen über christliche Traditionen und Gottesdienste ist. So kannte ich bei keinem der Lieder und Gebete den Text und die Melodie und konnte an diesen Stellen dementsprechend nicht direkt am Anlass teilnehmen sondern stand bloss da und beobachtete das Geschehen. Ich denke aber, auch wenn mit der Text bekannt gewesen wäre, hätte ich mich nicht wohl gefühlt mitzubeten, da die Texte nicht meinen Überzeugungen, meinem Glauben entsprechen. Auch unter dem Begriff des Abendmahls konnte ich mir nicht viel vorstellen und so war ich sehr froh, dass der Pfarrer berücksichtigte, dass nicht alle Anwesenden dasselbe Wissen zu Traditionen wie dem Abendmahl hatten, und die Hintergrundgeschichte dieser Tradition erläuterte.

Mein allgemeiner Eindruck von dieser Konfirmation ist jedoch sehr positiv geprägt; das Programm war angenehm und abwechslungsreich gestaltet und auch das von den Konfirmand*innen gewählte Thema (Gerechtigkeit) fand ich sehr interessant. Besonders bemerkenswert fand ich den bereits beschriebenen interaktiven Teil, während dem die Konfirmand*innen interessante Fragen ans Publikum stellten: Hast du Ungerechtigkeit schon einmal ignoriert? Ist es gerecht, dass Frauen weniger verdienen als Männer? Ist das Schweizer Rechtssystem gerecht? Während sich die Anwesenden bei einigen Fragen relativ einig waren, regten andere zum Nachdenken, zum Austausch und zu Diskussionen an.

Ich bin mir bewusst, dass dieser Anlass nicht den gesamten christlichen Glauben repräsentiert, trotzdem bin ich dankbar für den erhaltenen Einblick.

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