Vesper und Salve Regina
Von Simea Maraia
An einem Freitagnachmittag Mitte Mai nahm ich gemeinsam mit meinem Vater an einer Vesper und einer Salve Regina im Kloster Einsiedeln teil. Dabei handelt es sich um einen täglichen Gottesdienst, der von den Einsiedler Mönchen immer zur selben Zeit von 16.30 bis 17.05 Uhr durchgeführt wird.
Gegen 16.00 Uhr kamen wir im Kloster an und nach einer langen Autofahrt gingen wir zunächst etwas trinken. Innerhalb des Klosters waren auf einem kleinen Platz ein Getränkewagen und einige Tische in der Sonne aufgestellt. Wir setzten uns hin und genossen einen hausgemachten Eistee. Es herrschte eine sehr angenehme und friedliche Stimmung im Kloster. Zwischen den Touristenmengen sah ich immer wieder Mönche hastig vorbeieilen und in den Ecken des Klosters verschwinden.
Einige Minuten bevor der Gottesdienst begann, betraten mein Vater und ich die Kirche und setzten uns auf eine Bank und warteten. Die Bankreihen füllten sich nach und nach mit Besuchern und obwohl sich eine ziemlich grosse Menschenmenge versammelte, herrschte Totenstille. Plötzlich tauchte beim Altar der erste Mönch auf. Er verneigte sich kurz in Richtung Altar und verschwand dann in einem kleinen Bereich hinter dem Altar, der nicht gut sichtbar war, da er von Gitterstäben und anderen Dingen verdeckt wurde. Nach kurzer Zeit betraten weitere Mönche den Raum. Auch sie verneigten sich vor dem Altar und verschwanden dann dahinter. Am Ende waren sicher 15 bis 20 Mönche anwesend. Der grösste Teil von ihnen stand ganz rechts in einer Gruppe zusammen. Auf der linken Seite standen zwei weitere Mönche und ganz in der Mitte, etwas erhöht, ein Letzter. Sie alle hatten ihre Bücher vor sich aufgeschlagen. Einer der Mönche stimmte zum Gebet an, die anderen Mönche folgten ihm. Das Gebet war eine Mischung aus melodischem Gesang und monotonem Sprechen. Die Mönche rezitierten ihr Gebet repetitiv und wurden von einer Orgel begleitet. Nach einer Weile trat ein Mönch nach vorne, richtete sich zum Publikum und sprach einige Verse aus einem roten Buch. Dieser Vorgang wiederholte sich sicher zweimal. Viele im Publikum beobachteten nur, darunter auch mein Vater und ich. Andere wiederum knieten nieder und beteten mit dem Rosenkranz in der Hand. Nach etwa einer halben Stunde stellten sich die Mönche in einer Zweierreihe auf und schritten vom Altar in den hinteren Teil der Kirche. Dort befand sich eine kleine Kapelle, die der „schwarzen Madonna“ geweiht war, auch Gnadenkapelle genannt. Mein Vater, ich und die übrigen Besucher standen auf, warteten, bis die Gruppe an uns vorbeigegangen war, und folgten ihnen leise. Die Mönche drängten sich alle in die kleine Kapelle, die von vielen Kerzen beleuchtet wurde. Die „schwarze Madonna“ im roten Kleid strahlte in der Mitte. Wir setzten uns erneut auf einige Bänke, die hinter der Kapelle angebracht waren, sodass wir eine gute Sicht auf die Madonna und die Mönche hatten. Ein letztes Mal stimmte einer der Mönche an, und die anderen folgten ihm. Nach dem sogenannten Salve Regina war der Gottesdienst vorbei, und die Mönche schritten erneut in Zweierreihe aus der Kirche hinaus. Einige Leute blieben stehen und verharrten noch in der Stille, die die Mönche zurückgelassen hatten, während andere direkt aus der Kirche eilten. Auch mein Vater und ich verliessen die Kirche baldmöglichst und traten hinaus in die warme Abendsonne.
Das erste Mal an einer Vesper war ich im Februar 2023, während der Blockwoche „Meditation und Musik“. Schon dort fand ich, dass der Gottesdienst etwas sehr Entspannendes hat und darum habe ich mich dazu entschlossen ihn erneut zu besuchen. Im Kloster Einsiedeln war ich zuvor schon einige Male, da meine Mutter ein grosser Fan der „schwarzen Madonna“ ist. Als mein Vater und ich nun den Klostergarten betraten, fiel mir sofort auf, dass die Stimmung sehr friedlich und entspannend war. Ich fragte mich wie es wohl sein muss, an diesem Ort zu leben und täglich seine Zeit dort zu verbringen, manchmal sein ganzes Leben. Als ich die Kirche betrat, war ich erstaunt darüber, wie viele Leute schon darin warteten. Ich setzte mich mit meinem Vater hin und beobachtete die Leute. Wie ich feststellte, waren einige der Anwesende stark gläubig und ich fragte mich, ob sie wohl täglich am Gottesdienst teilnehmen. Als die Mönche mit ihrem Gottesdienst anfingen musste ich mich zuerst in die melodische, aber doch monotone Melodie einfinden. Ich war erstaunt, wie schön die Melodie in dem grossen Raum der Kirche hallte. Es gab einem fast das Gefühl etwas Überirdischen im Zusammenspiel mit den monumentalen, illusionistischen Deckenmalereien. Mit diesem Gedanken kamen mir auch einige Dinge aus dem BG-Unterricht in den Sinn. Zum Beispiel die ausgeschmückten Kirchendecken, die durch einen speziellen Effekt einen unmerklichen Übergang von realem Kirchenraum zum gemalten himmlischen Gefilde erzielte. Diese Art der Ausschmückung kam vor allem im Zeitalter des Barocks vor und die Kirche diente als Medium zur Rekatholisierung. Ich überlegte mir, ob auch das Kloster in Einsiedeln davon betroffen war und ob zu dieser Zeit auch von dieser Kirchenpracht überwältigt gewesen wäre – definitiv ja! Was mich mit der Zeit anfing zu stören, war die Orgel, die das Gebet begleitete. Ich fand den dumpfen Ton zu unpassend und zu laut für den Anlass. Die Stimmen der Mönche ging teilweise total unter und zerstörte die akustische Wirkung des Gebetes. Am besten gefiel mir der Teil als die Mönche das Salve Regina vor der „schwarzen Madonna“ sangen. Ich fand es viel persönlicher und zugänglicher als zuvor.
Mir persönlich hat der Gottesdienst eigentlich zugesagt, obwohl ich nicht wirklich viel mitbekommen habe von dem, was die Mönche in ihren Gebeten rezitiert habe. Mir gefiel vor allem die repetitive Melodie des Gebetes, die in mir Entspannung und Ruhe auslöste. Zudem fand ich den Besuch im Kloster eine schöne Abwechslung zum sonst sehr normalen Alltag, da man einer ganz anderen Welt und Lebensweise begegnet.