Mein Glück am Arm

Bild: Clara Aeschlimann

Tashi, dunkle Haare, dunkler Teint, ist an ihrem leuchtenden Armband leicht erkennbar. Die 19-Jährige sprüht vor Energie und guter Laune. Der rote Faden an ihrem Handgelenk scheint mehr zu sein als nur ein Schmuckstück. Das Bändeli ist für sie ein wichtiger Glücksbringer, der ihr bei wichtigen Entscheidungen oder Aufgaben Halt gibt. 

Von Clara Aeschlimann

Wo ich das Glück verspüre

Die Geschichte zu meinem roten Band ist ein aussergewöhnliches und prägendes Ereignis für mich. Vor zehn Jahren war ich das erste Mal in Nepal. Wir besuchten damals Verwandte von mir, die nach Nepal ausgewandert waren. Wir wohnten in einem typischen nepalesischen Haus und als ich das Gebäude ein bisschen durchforschte, stach mir ein Band mit rotem Schimmer ins Auge. Es lag auf einem kleinen Tischchen in der Mitte eines kunstvollen, mit Mustern bestickten Tuches. Ich betrachtete dieses aus drei Fäden geknüpfte Band stundenlang. Besonders die aussergewöhnliche Knüpftechnik faszinierte mich. Ich probierte es an, betrachtete es wiederholt an meinem Handgelenk und wusste sofort, dass dieses Band praktisch für mich geschaffen worden war. Später kam mein Onkel zu mir und meinte, dass ihm dieses Band ein besonderer Mönch geschenkt hatte und dass ich es doch behalten solle. Er brauche es nicht und bei ihm würde es nur in der hintersten Ecke stehen und Staub ansetzen. Seither besitze ich dieses Armband, also genau seit 10 Jahren habe ist es mein treuer Begleiter.

«Besonders die aussergewöhnliche Knüpftechnik faszinierte mich enorm.»

Tashi

Ich denke, jeder Mensch definiert selbst, was Glück für ihn bedeutet. Für mich beschreibt Glück, möglichst viele positive Emotionen erleben zu können. Meiner Meinung nach erlebe ich das Glück in einem Gefühl des Wohlbefindens, der Liebe, der Dankbarkeit oder im Geniessen verschiedener Situationen. Demgegenüber sehe ich das Glück auch als eine Art Schutz vor gefährlichen Angelegenheiten oder schwierigen Entscheidungen. Soweit ich es beurteilen kann, ist die Etymologie des Ausdruckes Glück ‹die Art, wie etwas gut endet/gut ausgeht›. Nach meinen eigenen Recherchen über den Begriff Glück bin ich auch auf die Glückseligkeit gestossen. Diese Bedeutung wird meist im Zusammenhang mit einem Zustand der religiösen Erlösung gebraucht. Ich bezweifle nicht, dass ein Glücksbringer dich schützen kann. Jedoch glaube ich nicht daran, dass er dich vor bösen Geistern oder Göttern beschützen kann. Die Götter einer Religion stehen für mich über den Glücksbringern. In brenzligen Situationen, die mir Angst bereiten, verteidigt mich das rote Band lediglich und ‹steht hinter mir›. Dadurch, dass ich fest an meinen Glücksbringer glaube, habe ich das starke Gefühl, dass es mir Glück bringt. In schweren Situationen denke ich daran und ich bin fest überzeugt von meinem Glücksbringer-Band. Ausserdem habe ich eine spezielle Bindung zum sogenannten Buddha-Band und trage es immer bei mir. Nur so kann ich mir sicher sein, dass ich eine kleine Schicht Glück jede Minute bei mir trage. Das gibt mir Kraft und Zuversicht.

Mein rotes Buddha-Band

Ich habe mich ein wenig mit dem geschichtlichen Hintergrund dieses Bandes auseinandergesetzt. Soweit ich es beurteilen kann, kommt das Band aus dem Buddhismus. Laut meinen Recherchen trägt man solche roten Bänder in verschiedenen Religionen, wie zum Beispiel im Judentum, Hinduismus und in der chinesischen Kultur. Die Farbe Rot hat im Buddhismus eine ganz spezielle Bedeutung. Rot sei ein Symbol für die Lebenskraft, die direkt auf das Leben einwirke, heisst es in einem Buch über den Buddhismus. Die Farbe steht auch für Mut und Mitgefühl. Es gibt verschiedene Praxen, dieses Band zu nutzen. Eine davon ist, dass buddhistische Mönche, die ein solches rotes Schnurarmband ebenfalls verwenden, es auch an Laien als Zeichen des Segens und des Schutzes verteilen. Die beiden anderen Praxen drehen sich vor allem um das Zusammenbringen verschiedener Menschen und das Tragen des Bandes während eines Gebetes. Sie sollen sich durch das Band miteinander verbunden fühlen. Damals, als ich in Nepal und in einem buddhistischen Tempel war, konnte ich die folgende Situation beobachten. Ein buddhistischer Führer – ich glaube, er wird Lama genannt – segnet die roten Schnüre gewöhnlich durch die Rezitation von Mantras, diese sollen mentale und spirituelle Energien freisetzen und dienen oft auch als Gebet. Dann gibt er sie an seine Schüler*innen weiter. Das ist eine schöne Tradition

«Das Band schenkte mir in den letzten 10 Jahren viel Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.» 

Tashi

Das Armband wird von mir jeden Tag getragen. Das heisst, ich ziehe es auch nicht zum Schlafen aus. Nur so kann ich das Glück immer bei mir tragen und mir sicher sein, dass ich einen ‹ewigen›  Begleiter bei mir habe. Denn eigentlich haben wir Menschen ja keinen richtigen Begleiter, der Tag und Nacht hinter uns steht und uns in allen schwierigen Situationen helfen kann. So habe ich für mich eben dieses Band, das auf jeden Fall auch mein Glücksbringer ist, zu meinem ‹ewigen› Begleiter benannt. Tatsächlich verfolge ich auch Rituale. Um genau zu sein, eigentlich genau nur eins. Wenn ich mir Glück wünschen will oder neue Kraft brauche oder auch merke, dass ich in einer brenzligen Situation bin, wechsle ich das rote Band vom einen zum anderen Handgelenk. Das ist keine traditionelle Praxis, die ich hier ausführe. Dies ist einfach nur meine Interpretation. Aber ich glaube sehr stark daran, dass das Band neue Kräfte kriegt, wenn es seinen Platz wechseln darf. Dieses Ritual kommt bei mir ein- bis zweimal pro Tag vor. Es ist allerdings sehr abhängig, in welcher Situation ich mich gerade befinde oder wie ich mich gerade fühle.  

Mein Bezug zum Buddhismus

Ich habe das Gefühl, dass ich einen stärkeren Bezug zur Religion bekommen habe. Das Unglaubliche dieser ganzen Sache ist, dass ich seit meiner Geburt eigentlich dem Buddhismus angehöre. Streng genommen gehört eigentlich meine ganze Familie dieser Religion an. Doch wir sind keine richtigen und strenggläubigen Buddhisten, die jeden Tag Gebete sprechen oder bestimme Rituale durchführen. Oder die sich mit bestimmen Glücksbringer oder Talismanen beschäftigen. Mit dem Armband hat sich mein Mitgefühl zur Religion verstärkt und mir ein breiteres Wissen verschaffen. Durch die vielen Recherchen rund um den Glücksbringer aus Baumwolle habe ich mich automatisch mehr mit meiner Religion beschäftigt. Dies zeigt doch ganz gut, dass kleine Dinge grosse Sachen verändern können. 

«Durch das Tragen des Bandes habe ich erstaunlicherweise einen stärkeren und intensiveren Bezug zur Religion gekriegt.»

Tashi

4 Antworten

  1. Charlotte sagt:

    Sehr interessant, was alles hinter diesem roten Armband steht! Das Portrait ist sehr „nahe“ verfasst, ich konnte alles gut nachvollziehen/ miterleben 🙂

    • Sophie sagt:

      Liebe Clara
      Du hast die Geschichte über dieses Bändeli sehr wirkungsvoll und schön beschrieben. Am besten gefällt mir der letzte Satz!

  2. Ella sagt:

    Eine sehr spannende Ansicht von Glück und Schutz, super geschrieben!

  3. meret sagt:

    Liebe Clara ich fand es besonders interessant, wie sich Tashis Bezug zur Religion durch den Glücksbringer verändert hat. Schön geschrieben. Liebe Grüsse Meret

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