Was Träume wahr werden lässt
Ich habe nicht viel mit Religion zu tun, trotzdem besitze ich einen Glücksbringer und gehe ins Yoga.
Von Leonie Köhler
Ich heisse Elena und bin 18 Jahre alt. Ich lebe in einem Einfamilienhaus mit meinen Eltern, meinem älteren Bruder und meinen zwei Katzen. Mein Schwerpunktfach ist Spanisch, und ich erhoffe mir einen Studienplatzt in Madrid, um «International Affairs» auf Spanisch und Englisch zu studieren. In der spanischen Hauptstadt würde ich mich schliesslich zu einer Salsa-Lehrerin ausbilden lassen. Ich liebe es, meine überschüssige Energie im Sport auszuleben. Zurzeit besuche ich wöchentlich einen Salsa-Kurs und gehe oft ins Group Fitness, um mich auszupowern. Als Ausgleich finde ich meine seelische Ruhe im Yoga. Wenn ich mich beschreiben müsste, dann würde ich mich als aufgestellte und lebensfrohe Person definieren. Ich habe immer ein offenes Ohr für die Sorgen meiner Freund*innen und unterstütze sie gerne.
«Der Glücksbringer ist mehr mit der Religion verbunden als ich.»
Elena
Ich identifiziere mich mit keiner Religion und auch meine Familie fühlt sich mit keiner Religion verbunden. Dennoch besitze ich einen Glücksbringer. Meiner Meinung nach muss ein Glücksbringer seinen Hintergrund nicht in einer Religion haben. Lustigerweise hängt gerade mein Glücksbringer stark mit der hinduistischen Religion zusammen. Es ist Ganescha. Im Hinduismus ist Ganescha ein hinduistischer Gott. Mein Ganescha ist nicht grösser als ein Zweifränkler und hat einen festen Platz auf meinem Nachttisch.
Für mich ein Elefantenkopf, für andere ein Gott
Ganesha wird auch im Buddhismus als Gott verehrt. Wenn man mich fragt, was ein Ganescha ist, würde ich ihn schlichtweg als Buddha mit Elefantenkopf und Krone sowie mit geschmückten Armen beschreiben. Natürlich soll diese eher plumpe Darstellung nicht despektierlich angesehen werden. Für mich ist mein Ganescha etwas Besonderes, denn mein Ganesha ist nicht so, wie ihn die meisten anderen kennen. Er ist weder kunterbunt noch hat er einen Körper. Mein Glücksbringer ist ein Elefantenkopf aus Metall.
«Ein Glücksbringer schadet ja niemandem.»
Elena
Meiner Meinung nach haben Glücksbringer ihren Namen verdient. Für mich sind der Glaube an einen Glücksbringer, an den Weihnachtsmann oder an eine Religion vergleichbar. Ob jemand an etwas glaubt oder nicht, kann jeder selber entscheiden. Das Wesentliche an diesen Gebräuchen ist der starke Glaube daran und die dadurch empfundene Unterstützung. Ob man seine Wünsche oder Sorgen auf Papier festhält oder wie ich meinem Ganesha am Abend erzähle, spielt für mich keine Rolle. Der Glücksbringer muss einem helfen, schwierige Zeiten zu überwinden. Allerdings finde ich es nicht vertretbar, dass Grosskonzerne sich mit Glücksbringern ein lukratives Geschäft machen. Als weiteres Beispiel finde ich es lächerlich, normale Schokolade als Glücksschokolade zu deklarieren und diese viel teurer zu verkaufen. Ich finde, Glücksbringer sind nicht etwas Kommerzielles, was man in einem Laden erwirbt. Vielmehr sind Glücksbringer Geschenke von einer besonderen Person oder von einem schönen Anlass. Die Symbolik eines Glücksbringers übersteigt den materiellen Wert
Vom Ladenbesuch zum Glücksbringer
Die Geschichte, wie ich meinen Ganescha erhalten habe, ist sehr witzig. Tatsächlich habe ich ihn aus Bern von einem Mann erhalten. Eines Tages, als ich noch kleiner war und für eine Tanzshow einen Bauchtanzrock kaufen wollte, stiess ich auf einen besonderen Laden. Er war klein und fein, kaschiert unter den Lauben der Berner Altstadt. Freundlich begrüsste mich der Mann und schnell half er mir, auch meinen Rock zu finden. Wir wollten uns gerade verabschieden, da meinte der Mann, er hätte noch etwas für mich. Da zückte er den Ganescha. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ich diesem lustigen elefantenähnlichen Stein einmal so viel Bedeutung geben werde wie meinem Kuscheltier. Der Mann schaute mir tief in die Augen und sagte: «Der wird dir immer Glück bringen!» und fügte noch hinzu: «Du sollst ihn gut behüten!» Zudem erklärte er mir, dass er selber auch einen Ganescha habe, und er würde diesen, wo immer er auch hingehe, in seiner Hosentasche dabei haben. Da wusste ich als 6-jähriges Kind schon: Das ist mein Glücksbringer!
Danach konnte ich als kleines Mädchen nicht mehr ohne meine abendliche Routine zu Bett gehen, ohne dass ich meinem Ganescha die Hauptrolle übergab. Sobald ich eingekuschelt in meinem Bett lag, nahm ich den Ganescha in meine Hand und erzählte ihm meine tiefsten Wünsche und betete auch für Glück in der nächsten Prüfung oder der kommenden Tanzshow. An meine Tanzaufführungen nahm ich meinen Ganesha sogar mit, obwohl meine Freunde*innen mich jedes Mal erneut gefragt haben, was diese komische Figur sei.
«Jeder erlebt mal Unschönes im Leben.»
Elena
Auf die Frage, ob ich mal Negatives erlebt habe, kann ich nicht wirklich antworten. Klar geht mal jeder in seinem Leben durch unschöne Zeiten. Auch ich wurde als kleines Mädchen wegen meiner Zähne gehänselt. Der Ganescha erinnerte mich jedes Mal, wenn ich im Bett weinte, daran, dass ich nicht aufgeben soll. Irgendwie gab er mir immer ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Ich nahm ihn nicht immer mit, aber ich wusste, er wird mir weiterhin von meinem Nachttisch aus Sicherheit geben. Bis heute schaue ich immer, bevor ich aus der Tür meines Zimmers husche, meinem Ganescha noch kurz in die Augen und muss schmunzeln.
Andere Wege zum Glück
Yoga wird oft als Dehnübungen für Schwangere oder Hippies abgestempelt, doch Yoga leistet einen grossen Beitrag in meinem Leben. Für mich ist es eine Passion geworden, die einen enormen Stress-Relief-Effekt aufweist. Meine Yogalehrerin erklärte mir, dass der Ganescha eng mit dem Wurzelchakra verknüpft ist, welches die Verbindung zur spirituellen Kraft symbolisiert. Yoga gehört zu einer meiner Strategien, die mir helfen, schwierige Situationen und Zeiten zu verarbeiten.
«Augen zu und durch.»
Elena
Als ich jedoch älter wurde, entfernte ich mich ein wenig von dem Glauben, dass mein Ganescha für mein ganzes Glück verantwortlich ist. Ich habe andere Strategien gelernt, um mit Schwierigkeiten im Leben klarzukommen, habe mich jedoch im Innern meines Herzens nie komplett von meinem Ganescha distanziert. Ab und zu nehme ich ihn in meine Hände und muss grinsen, weil mir immer wieder der Verkäufer im Laden in den Sinn kommt.
Die Bedeutung des Gegendstandes, den deine Kollegin von dem fremden Menschen erhalten hat, ist sehr beeindruckend.
Die Herkunftsgeschichte des Glücksbringers ist sehr interessant und erinnert fast an „Schicksal“.
Liebe Leonie
Ich finde es sehr interessant, dass der Glücksbringer auch als eine Art Sorgenfresser verwendet wird und ihm schon als Kind ein wichtiger Platz im Alltag zugewiesen wird. Auch sehr schön ist, dass sie den persönlichen Wert den einen Glücksbringer haben muss erwähnt.
Ich finde dein Porträt ist sehr schön geschrieben und bringt viel einem Elena gleich sehr nahe!
Ich fand es sehr spannend wie sich Elenas Einstellung zu ihrem Glücksbringer über die Jahre verändert hat!