Das Projekt
Hast Du einen Glücksbringer? Woher hast du ihn? Was machst Du damit? Wie ist Dein Glücksbringer zum Glücksbringer geworden? Wie bringt ein Glücksbringer eigentlich Glück? Was ist Glück? Und was hat das mit Religion zu tun?
von Sibylle Marti und Matthias Kuhl
Omamori?
Ist es ein edler Teebeutel oder ein Täschchen zur Schmuckaufbewahrung? Warum ist der Stoffbeutel dann mit einem so aufwändigen Knoten verschlossen? Darf er etwa gar nicht geöffnet werden? Was soll darin verborgen bleiben und wozu?
Die genaue Betrachtung eines Omamori in der allerersten Stunde des Ergänzungsfachs Religionslehre löste bei den Schüler*innen viele Fragen aus, über die wir uns gemeinsam an die japanische Religionskultur herantasteten.
Omamori gehören zu den verbreitetsten Glücksbringern in Japan. Die bestickten Beutelchen aus Seide beinhalten meist Papierstreifen oder Holztäfelchen mit Inschriften. Ihnen wird eine beschützende, allerdings zeitlich begrenzte Kraft zugeschrieben, die sich über verschiedenste Lebensbereiche erstreckt: Von einer Geburt über die Partnerwahl bis hin zu Prüfungserfolg. Verkauft werden sie sowohl in buddhistischen Tempeln als auch in Shintō-Schreinen – gerne auch an Tourist*innen als Souvenir.
Ein verbreitetes Phänomen
In zahlreichen Kulturen und religiösen Traditionen finden sich solche Objekte. «Glücksbringer», «Talisman» und «Amulett» werden im Sprachgebrauch oft synonym verwendet: Je nachdem sollen sie eher Glück verheissen, Positives verstärken oder Böses abwehren.
Obwohl oder gerade weil solche Gegenstände insbesondere in der sogenannten «Volksfrömmigkeit» verbreitet waren, begegnete man ihnen und damit verbundenen Vorstellungen von offizieller Seite her teilweise auch mit Skepsis: Die Grenze zum «Aberglauben» drohte bisweilen zu verwischen.
Das hat der weiten Verbreitung von Glücksbringern bis heute keinen Abbruch getan. Wie in Japan sind es auch längst nicht ausschliesslich religiöse Menschen, die von der besonderen Wirkung solcher Objekte überzeugt sind. Oft wird der Besitz von Glücksbringern nicht einmal mit Religiosität in Verbindung gebracht. Diese Ausgangslage machte es reizvoll, sich im Ergänzungsfach damit vertieft zu beschäftigen.
Porträts in Text und Bild
Ziel dieses SOL-Projekts war es, dass jede*r Schüler*in einen Glücksbringer in Text und Bild porträtiert. Die Herausforderung bestand dabei zunächst darin, jemanden zu finden, der oder die ein solches Objekt besitzt und auch bereit ist, darüber zu erzählen.
Nach einer ersten thematischen Annäherung entwickelten die Schüler*innen Fragen für das Interview. Der Hauptfokus des Gesprächs lag darauf, der besonderen Bedeutung auf die Spur zu kommen, die dem Glücksbringer von seiner*m «Besitzer*in» beigemessen wird – und die direkte Begegnung ermöglichte es, das Objekt allenfalls auch selber in die Hand zu nehmen, zu betrachten und schliesslich zu fotografieren. Ausgehend vom Interview und zusätzlichen Recherchen erstellten die Schüler*innen darauf das Porträt.
Am Schluss reflektieren die Schüler*innen den gesamten Arbeitsprozess und bezogen darin auch ihre eigene Perspektive auf (den porträtierten) Glücksbringer mit ein.
Heilstein, Tipp-Ex und Plüsch-Blutzelle
Die vorliegenden Porträts rücken fünfundzwanzig verschiedene, teilweise überraschende Objekte in den Fokus: Dass Steinen besondere Kräfte zugeschrieben werden, ist bekannt – aber einem Tipp-Ex oder einem Stofftier in Form einer Blutzelle?
Gemeinsam ist dieser bunten Galerie, dass viele der hier vorgestellten Gegenstände so klein sind, dass sie sich problemlos – und von aussen nicht immer sichtbar – tragen oder transportieren lassen. Sie werden so zu echten Begleitern, teilweise über ein ganzes Leben oder sogar mehrere Generationen hinweg.
Bemerkenswert ist auch, dass oftmals nicht das Objekt selber als Quelle der glücksfördernden oder unheilabwehrenden Wirkung angesehen wird. Vielmehr sind es die Erlebnisse, Begegnungen, Emotionen, Erinnerungen und Menschen, die damit verknüpft sind.
Um so ein grösserer Dank gebührt an dieser Stelle den Interviewpartner*innen, die ihre Geschichten hier teilen – und den Schüler*innen für die umsichtig verfassten Porträts.
Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre!